Im Gespräch


Univ.-Prof. Dr. Andreas Gruber ist seit 2016 Vorstand der Universitätsklinik für Neurochirurgie am Kepler Universitätsklinikum in Linz. Als Chirurg blickt er auf Karrierestationen in New York, Texas, Vermont und Oxford zurück und zählt heute zu den international führenden Expert*innen für Hirnaneurysmen.


Welche Bedeutung hat das Projekt MEDUSA für die medizinische Praxis und in weiterer Folge für Patient*innen?

“MEDUSA ermöglicht die Planung schwierigster Operationen am Gehirn bis ins letzte Detail. Unser Simulator kann – im Gegensatz zu einem System aus Kanada – auch Gefäße darstellen. Das ist revolutionär, wenn man bedenkt, dass das Unternehmen aus Übersee immerhin Greifarme für das Space Shuttle herstellt. Bei aller Wertschätzung: Aber hier haben wir eindeutig die Nase vorn. Für Patient*innen bedeutet MEDUSA natürlich noch mehr Sicherheit, dass die Operation erfolgreich verläuft. Bei Eingriffen am Gehirn können Millimeter über den Behandlungserfolg entscheiden. Wir haben die Möglichkeit, den Eingriff im Vorfeld zu simulieren, weil wir das Gehirn mit allen Gefäßen und Strukturen im Modell Eins zu Eins abbilden können.”

Was hat Sie und Ihr Team motiviert, sich an diesem Projekt zu beteiligen?

“Der Neuromed Campus am Kepler Universitätsklinikum in Linz ist die auf ihrem Gebiet führende Spezialklinik in Österreich. Wir machen 3.500 operative Eingriffe pro Jahr, wobei rund 2.000 auf den Hirnbereich entfallen. Wir wollen auch auf dem Gebiet der Forschung führend sein und für unsere Ärzt*innen sowie Studierenden die bestmöglichen Voraussetzungen schaffen. MEDUSA ist ein Projekt, mit dem ein neues Kapitel der Neurochirurgie aufgeschlagen wurde. Ich beschäftige mich mit dem Thema bereits seit zehn Jahren – nur hatten wir damals noch nicht die technischen Möglichkeiten, die uns der 3D-Druck heute bietet.”

Wo sehen Sie die zentralen Vorteile von MEDUSA für die Aus- und Weiterbildung von Neurochirurg*innen?

“Nehmen wir die operative Versorgung von Aneurysmen als Beispiel. Hier gibt es zur Behandlung rund 200 verschiedene Clipformen. Wenn wir uns im Vorfeld der Operation mit einer Abbildung des Gehirns ein genaues Bild verschaffen können, spart dies beim Eingriff enorm viel Zeit und reduziert auch die Komplikationsrate. Es gibt so viele Aspekte, die MEDUSA auszeichnen. Die computerbasierte Simulation ist ein Meilenstein, obwohl das Können und die Erfahrung des*der Operateur*in immer die entscheidenden Faktoren sind. Der Lernprozess, um Weltklasse zu sein, dauert 20 bis 30 Jahre und geht aufgrund des medizinischen Fortschritts nie zu Ende.”

Stichwort Medizinische Fakultät Linz: Welchen Stellenwert hat das Projekt für die universitäre Forschung an diesem neuen Standort?

“Es ist großartig, dass wir dieses Leitprojekt in Linz haben. MEDUSA katapultiert uns im Vergleich mit anderen Unikliniken ganz nach vorne. Anderswo wird mit dem Modell aus Kanada gearbeitet – das ist schon ein enormer Qualitätsunterschied.”

Wo stößt MEDUSA an seine Grenzen, wo macht der Einsatz wenig Sinn?

“Das lässt sich so pauschal nicht sagen, wenn wir nur von chirurgischen Eingriffen am Hirn sprechen. Da kann MEDUSA in den meisten Fällen eine zusätzliche Hilfestellung sein, obwohl sich das Einsatzgebiet primär auf sehr schwierige und problematische Fälle bezieht. Operationen sind aber auch in unserem Fach die Ultima Ratio. In der modernen Medizin stehen uns – beispielsweise bei Tumoren – auch nichtinvasive Behandlungsmethoden wie die millimetergenaue Bestrahlung zur Verfügung.”

Wie wird oder kann sich das Projekt MEDUSA aus Ihrer Sicht weiterentwickeln?

“Wie schon gesagt: Es ist faszinierend, wenn wir einen schwierigen operativen Eingriff im Vorfeld mit einem hybriden Hirnmodell des*der Patient*in, basierend auf 3D-Computersimulation und 3D-Druck, am Tag vor der Operation proben können. MEDUSA bietet also mehr als Anschauungsunterricht und Hilfestellung, es ist auch für Profis wichtig, noch besser und präziser arbeiten zu können. Bei Operationen am Hirn ist und bleibt aber das Können und Fachwissen der Chirurg*innen ein entscheidender Faktor.”

„Es ist großartig, dass wir dieses Leitprojekt in Linz haben. MEDUSA katapultiert uns im Vergleich zu anderen ganz nach vorne.“
Univ.-Prof. Dr. Andreas Gruber

Erschienen in MTC-connect 1/Juni 2019. Gesamte Ausgabe: Download als PDF.


Aktuelles zum Projekt

Im MEDUSA Blog halten Sie 13 Konsortialpartner*innen auf dem Laufenden:
Projektfortschritte, Veranstaltungen und Erfolge.

Medical EDUcation in Surgical Aneurysm clipping

In enger Kooperation mit Studierenden des Bachelorstudienganges Medientechnik und -design der FH Oberösterreich, Campus Hagenberg, wurde ein MEDUSA-Projektvideo gedreht. Wir bedanken uns für die hervorragende Zusammenarbeit und das großartige Ergebnis.
Gefäßbaum

Regelwerk der Medizintechnik als Ankerpunkt für qualitativ hochwertige Produktentwicklung

Wie können die Anforderungen der Medizinprodukte-Verordnung hilfreichen Input liefern, um einen sicheren, effektiven und qualitativ hochwertigen neurochirurgischen Simulator zu entwickeln?
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Klassifizierung eines Simulators

Der fehlende Patient*innen-Kontakt macht es nicht wirklich einfacher.